30 September, 2020

Die Zehn Gebotee

Keine Sorge, meine lieben Teefreunde, hier geht es nicht um Religion, und es steckt auch kein Tippfehler in der Überschrift. 

Im Folgenden werden lediglich einige Gedanken zu allgemeinen Hospitaliteet wiedergegeben, und die fingiert religiöse Überschrift diente nur als Lockvogel. Ich möchte einfach nur einige Ideen weitergeben, wie man mit Freunden und (neuen) Bekannten das meiste Vergnügen aus einer Teesitzung herausholen kann. Während man sich vielleicht nicht sonderlich um bestehende Teefreunde sorgen muss (denn man kennt sie ja bereits, oder?), könnte es etwas schwieriger sein, aus bloßen Bekannten langjährige Teefreunde zu machen - sofern dies das Ziel sein sollte.    

Das eigene Heim ist die Burg, oder zumindest das Teehaus, dass es zu optimieren gilt. Das heißt, wer einen Raum besitzt und Gäste auf eine, zwanzig, oder auch mehr Tassen einlädt, sollte das Recht haben, eine Hausordnung festzulegen. Oder klingt das merkwürdig? Nun, für mich schon, und nie hätte ich darüber nachgedacht, bevor ich anfing, mich häufiger mit unserer örtlichen TeaNuts-Truppe 🍵🥜, aber auch mit zahlreichen Einzelpersonen zu treffen. 

Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es genügen Anstand in dieser Welt* gibt und einige grundlegende Konventionen** global gelten, z.B. als Gast darauf zu wartet, dass der empfangende Gastgeber die Hand reicht, oder auch, je nach Kultur, die Verbeugung 🙏 zu kopieren. Einige von uns sind sogar darauf vorbereitet, den vulkanischen Gruß 🖖 zu erwidern. Die meisten Gästen fragen heutzutage auch bereits, ob man vor dem Betreten des Hauses die Schuhe ausziehen solle.

Dennoch sind die folgenden Punkte nicht etwa meine Hausordnung oder die von irgendjemand, mit dem ich Tee trinke, aber mit der Zeit haben wir in der Gruppe eine Art gemeinsames Verständnis dafür entwickelt, wie wir Tee am besten gemeinsam genießen können. Dies ist auch keine einstimmige Auffassung, die jeder in unserer Teerunde voll und ganz unterstützen würde, aber es gibt zumindest ein paar gemeinsame Nenner, von denen ich sicher bin, dass jeder, der eine gewisse Liebe zum Tee hat, ihnen zustimmen oder sie zumindest nachvollziehen kann.

Hier sind sie also, die Regeln oder besser gesagt Vorschläge, mit denen man potenzielle Neueinsteiger in einer Teerunde behelligen könnte, sowie darunter einige kursiv geschriebene Erläuterungen:

- Wenn man Euch einlädt, antwortet freundlicherweise und gebt an, um welche Zeit der Gastgeber Euch erwarten kann. Bei uns kann man jederzeit erscheinen, und es steht jedem frei, zu gehen, wenn man sich teetrunken - oder gelangweilt - fühlt.

Der Grund dafür ist, dass meine reguläre Gruppe nicht immer am selben Ort oder zur selben Zeit zusammenkommt, und obwohl wir möglichst im voraus planen, treffen wir uns manchmal auch recht spontan. Da eine Sitzung im Durchschnitt etwa acht Stunden dauert (sic!), kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass jeder bereit und/oder in der Lage ist, die komplette Zeit teilzunehmen. Wenn man im Voraus weiß, wann ein Platz am Tisch wieder frei wird, kann man so auch Ersatzteilnehmer für ein späteres Erscheinen auf die Gästeliste setzen. 

- Niemand muss etwas mitbringen außer der Liebe zum Tee; nicht einmal Tee wird benötigt, denn den besitzen alle Gastgeber im Überfluss und teilen ihn gern, aber von jedem uns besuchenden Händler wird natürlich erwartet, dass er etwas mitbringt. 😇

Hier geht es darum, niemanden unter (wirtschaftlichen) Druck zu setzen, und besonders Neuankömmlinge sollen sich wohl fühlen. Natürlich wird unser Durst nie gestillt werden, aber trotzdem: kein Druck auf Neue. Noch nicht... 

FALLS jemand einige Blätter aus seiner Sammlung mitbringen/teilen möchte, großartig. Aber seid nicht frustriert, wenn die Mehrheit entscheidet, diesmal nicht Eure Favoriten für die Zubereitung auszuwählen. Das passiert uns allen zuweilen.

Als Gastgeber sollte man, wann immer man eine klares Verkostungsthema anbieten möchte, die Mitglieder/Besucher im Voraus informieren, damit sie wissen, ob es sich um eine Motto-Teerunde handelt oder ob es eine gewisse Flexibilität gibt. Im ersteren Fall braucht sich niemand die Mühe zu machen, selbst Tee zu bringen, oder wenn, dann einen passenden.

- Sobald man die Wohnung eines Gastgebers betritt, sollte man das Bad benutzen und sich die Hände mit Seife waschen. 

Ziemlich naheliegend, nicht wahr? Nicht nur im Jahre 2020. Wir alle tun es (wenn/wo immer möglich) zumindest vor den Mahlzeiten, und hier wird man vielleicht sogar die verehrten Blätter anfassen dürfen und einige Aufgüsse für die anderen zubereiten. 

- Auf aromatisierte Parfüms, Körperlotionen oder Deodorants sollte verzichtet werden. Raucher und Tierhalter sollten frische Kleidung tragen und auf Zigarettenpausen verzichten. 

Insbesondere im Sommer gibt es sicher gute Gründe, Deodorants anzuwenden, aber Gerüchte besagen, dass auf dem Markt sogar einige ohne Parfümzusatz erhältlich sind. Leider scheinen dies nur wenige Menschen zu wissen. Ich würde sogar so weit gehen und vorschlagen, keinen Lippenstift zu tragen, zumindest wenn man vorhat, den Tee wirklich zu degustieren. Man sollte auch bedenken, dass viele Menschen an unterschiedlichen Allergien leiden, und selbst wenn diese nicht sofort ersticken, wenn sie z.B. in der Runde neben einem Katzenhalter sitzen, so könnten diese die Sitzung mit nicht geschwollenen Schleimhäuten vermutlich besser genießen. 

Mit einfachen Worten ausgedrückt: Jeder Geruch kann vom Tee ablenken, also sollten diese Irritationen möglichst vermieden werden.

- Es wird kein Essen angeboten, aber es gibt gelegentlich (ungesalzene) Nüsse oder Mandeln, und es steht jedem frei, Snacks mitzubringen, aber darauf können wir auch verzichten.

Wenn wir nach sechs oder acht Stunden des Verkostens noch eine Weile weitermachen wollen, biete ich manchmal doch einen leichten Imbiss an, und gelegentlich haben wir sogar die eine oder andere Pizza bestellt, aber das ist sicher nicht förderlich für den Geschmackssinn. Andererseits mag man bezweifeln, ob die Geschmacksknospen nach etwa 20 verschiedenen Tees überhaupt noch viel unterscheiden können. Es ist klar, dass das Knabbern von Nüssen und dergleichen ebenfalls nicht den Geruchs- oder Geschmackssinn fördert (vor allem nicht vor der Verkostung von nussigen Grüntees oder Xingren Xiang), und deshalb ist es nicht ungewöhnlich, sich nach dem Knabbern oder sogar zwischen den Tees den Mund mit nicht kohlensäurehaltigem Wasser auszuspülen. Eigentlich ist dies je nach Schweregrad des Trinkens sogar der bevorzugte Weg.

- Sobald mindestens ein Nicht-Muttersprachler an der Sitzung teilnimmt, schalten wir alle auf Englisch um.

Vorausgesetzt, alle anderen beherrschen die englische Sprache in angemessener Weise. Ansonsten halten wir es wie in Babylon***.

- Hausschuhe für Gäste auf Anfrage erhältlich

Viele Kulturen erwarten, dass man die Schuhe auszieht, wenn man die Wohnung betritt, deshalb bieten sie ihren Gästen Hausschuhe an. Aus hygienischen Gründen, aber auch, weil manche Häuser nicht mit einer Fußbodenheizung ausgestattet sind. Das Anbieten von Hausschuhen ist m.E. eine nette Art, Gastfreundschaft auszudrücken.

Selbstverständlich handelt es sich bei den oben genannten Punkten nur um Gedanken, Ideen und, wenn man möchte, um Vorschläge, die aus der Erfahrung herrühren. Wir belästigen potenzielle Trinkgäste auch meist nur dann mit einigen der oben genannten Punkte, wenn sie als Anwärter auf eine dauerhafte Mitgliedschaft in Betracht gezogen werden könnten. Nicht, dass es so etwas wie eine Mitgliedschaft gäbe, aber aus Gründen der Fokussierung und Schwerpunktsetzung ist es hilfreich, wenn die Grundlagen besprochen wurden. Diskussionen sollten nur dann erhitzt geführt werden, wenn es um Tee geht. 

Jetzt mag man mich für spießig halten (was in Ordnung ist, denn wo ich lebe, herrscht Meinungsfreiheit), wobei es mir viel lieber wäre, wenn einige der oben genannten Punkte selbstverständlich wären. Zum Glück ist das häufig der Fall.

Guten Durst derweil...



* Natürlich denkt hier niemand an aktuelle politische Diskussionen oder Ereignisse...

** Vorgeschlagene Lektüre: Kiss, Bow, Or Shake Hands 

*** Das bedeutet, individuell zu übersetzen.

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